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Ärztlicher Bereitschaftsdienst

LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.08.2022 - L 5 KA 1/21

Ein „therapieferner“ Facharzt für Radiologie hat keinen Anspruch auf Befreiung von der persönlichen Teilnahmepflicht am vertragsärztl. Bereitschaftsdienst. Die gesetzliche Regelung verletzt weder Art. 3 I GG noch stellt sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar.

Der Kläger ist als Facharzt für Diagnostische Radiologie tätig und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er wird auf der Grundlage der BDO und RL-BDO der Kassenärztlichen Vereinigung im jährlichen Bereitschaftsdienstplan eingeteilt. Der Kläger beantragte die Befreiung von der persönlichen Teilnahme am Bereitschaftsdienst. Er sei langjährig in einem therapiefernen Fach tätig. Trotz zweijährlich besuchten Notdienstfortbildungen sehe er sich nicht in der Lage, die erforderliche Qualität zur vertragsärztlichen Versorgung von Patienten im Bereitschaftsdienst risikofrei und nach dem allgemein anerkannten fachlichen Standard (typischerweise hausärztlich, internistisch oder kleinchirurgisch) für jeden denkbaren Krankheitsfall zu erbringen, auf den jeder gesetzlich versicherte Patient einen Anspruch habe.

 

Durch Urteil hat das SG Mainz die Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers blieb unbegründet.

 

Das SG habe zutreffend dargelegt, dass die persönliche Heranziehung des Klägers mit höherrangigem Recht vereinbar sei und dass er keinen der normierten Befreiungstatbestände erfülle. Das SG entschied rechtsfehlerfrei, dass die uneingeschränkte persönliche Teilnahmepflicht langjährig spezialisierter "therapieferner" Fachärzte keinen Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung darstelle. Insbesondere stehe dies nicht im Widerspruch zu § 630a Abs. 2 BGB. Zutreffend weise der Kläger zwar darauf hin, dass eine Behandlung danach, soweit nicht etwas anderes vereinbart sei, nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen habe. Der anzulegende Maßstab richte sich nicht nach dem individuellen Leistungsvermögen des Behandelnden, sondern sei objektiv gruppenbezogen. Geschuldet sei eine Behandlung, die ein durchschnittlich qualifizierter Arzt des jeweiligen Fachgebiets nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft und Praxis an Kenntnis, Wissen, Können und Aufmerksamkeit erbringen könne. Reichten die Kenntnisse oder Möglichkeiten nicht aus, habe der Arzt einen Konsiliararzt beizuziehen oder zu überweisen. Soweit der Kläger aus § 630a Abs. 2 BGB den Schluss ziehe, dass ein Arzt im Rahmen des Bereitschaftsdienstes zur Erbringung fachgebietsfremder Leistungen nach den dort zugrunde gelegten Behandlungsstandards verpflichtet sei, verkenne er den Behandlungsmaßstab.

 

Von einem Arzt könne nur das abverlangt werden, was ein durchschnittlicher Arzt seiner Fachrichtung (hier: ein durchschnittlicher Radiologe) in der konkreten Behandlungssituation des Bereitschaftsdienstes erbringen könne. Ein Arzt müsse nach alledem nur persönlich eine Behandlung erbringen, soweit er aufgrund seiner medizinischen Bildung in der Lage sei, eine ordnungsgemäße Versorgung im Bereitschaftsdienst sicherzustellen.

KANZLEI WERNER • Ihr Partner für Medizinrecht / Arzthaftungsrecht, Personenschadensrecht & Versicherungsrecht.

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