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Einfacher Diagnosefehler bei Zufallsfunden | Anwalt für Medizinrecht

OLG Dresden, Urteil vom 10. Oktober 2023, Az.: 4 U 634/23

Wird ein Patient mit dem Befund "Kopfschmerzen“ zum MRT überwiesen, darf der Radiologe auch vor erkennbaren Nebenbefunden (außerhalb des Gehirnschädels) nicht die Augen verschließen; sondern hat auch diesen Befund in den Arztbrief an den Überweisenden mit aufzunehmen.
 

Der Kläger stellte sich bei seinem Hausarzt im Jahr 2014 mit Kopfschmerzen vor. Dieser überwies ihn zum MRT. Im MRT-Arztbrief wird ein unauffälliger Befund geschildert. Im Jahr 2015 stellte sich der K. beim HNO-Arzt wegen Tinnitus und Schwindelbeschwerden vor. Ein sodann erstelltes CT ergab destruierende Knochenveränderungen sowie eine ausgedehnte Cholesteatombildung (Knocheneiterung). Bei dem nachfolgenden Eingriff wurde das ausgedehnte Cholesteatom der linken Felsenbeinspitze entfernt, wodurch es zu einer linksseitigen Facialisparese und einem inkompletten Lidschluss kam. Bei einem weiteren Eingriff wurde ein großes Cholesteatomrezidiv im linken Ohr entfernt und die Gesichtsmuskulatur bei bleibender Facialisparese stabilisiert.

Das OLG Dresden stelle jedoch fest, dass zwar ein einfacher Diagnoseirrtum vorlag, dem Kläger jedoch der Beweis für die Kausalität der zeitlichen Verzögerung der Behandlung für den eingetretenen Schaden nicht gelungen sei. Ein „grober“ Behandlungsfehler läge nicht vor, welcher die Beweislast umgekehrt hätte. Der Radiologe könne sich nicht auf den Auftragsumfang beschränken. Aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht hat er für die Auswertung eines Befundes all die Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für gebotene Maßnahmen zu nehmen, die er aus berufsfachlicher Sicht (...) feststellen muss. Im Gutachten wird ausgeführt, dass auf dem MRT in der linken Felsenbeinspitze sowie im linken Mastoid eine Signalalteration erkennbar sei, die weite Teile des Innenohres einschließlich der Cochlea und der Bogengänge betreffe.

Ein Fehler bei der Interpretation der erhobenen Befunde stellt dann einen schweren Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst und damit einen „groben“ Diagnosefehler dar, wenn es sich um einen fundamentalen Irrtum handelt. Dieser lag nicht vor.

Ihr Anwalt für Medizinrecht / Arzthaftungsrecht, Personenschadensrecht & Versicherungsrecht.

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