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Aufklärungspflicht des Arztes über eigene Gesundheitsprobleme | Anwalt für Medizinrecht

BayObLG München, Urteil v. 29.06.2021 – 205 StRR 141/21

Der Operateur ist dem Patienten gegenüber verpflichtet, über in seiner Person liegende Risiken aufzuklären, wenn bspw. körperliche Beeinträchtigungen nach einem Schlaganfall vorliegen. Anderenfalls kann die Einwilligung in die mit der OP verbundene Körperverletzung unwirksam sein.
 

Der Angeklagte (A.) ist seit 1990 approbierter Arzt. Im Jahr 1993 eröffnete er eine Praxis und führte insb. Operationen des grauen Stars, sog. Kataraktoperationen aus.

2009 erlitt der A. einen Schlaganfall mit Gehirnblutung und einen einmaligen epileptischen Anfall. Nach einigen Monaten in Behandlung wurde bei dem A. eine Aphasie, eine Alexie, eine Akalkuli und eine rechtsseitige armbetonte Hemiparese diagnostiziert.

2011 fühlte sich der Angeklagte wieder in der Verfassung, augenärztliche Operationen selbständig durchzuführen. Von 2011 bis Mai 2016 operierte der Angeklagte über 2.943 gesetzlich versicherten Patienten und eine unbekannte Anzahl von privat versicherten Patienten. Während dieses Zeitraums war der A. aufgrund tiefensensorischer Störungen, motorischen Einschränkungen & der Apraxie, objektiv ungeeignet die OPs fachgerecht durchzuführen. Hinzu kamen kognitive Funktionsstörungen bzgl. seines Gedächtnisses, seiner Aufmerksamkeit & seiner Reaktionsselektivität.

Dem A. selbst waren seine Leistungsschwächen nicht bewusst. Er hätte sie jedoch mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen. So wurde er ab 2011 wiederholt darauf hingewiesen, dass mehr Komplikationen auftreten würden. In Folge kam es bei insgesamt neun Kataraktoperation zu beträchtlichen Patientenschädigungen. Zwei Patienten erblindeten jeweils auf einem Auge. Bevor die OPs stattfanden, wurden die Patienten lediglich über die normalen Risiken (Grundaufklärung) aufgeklärt. Die Gesundheitsprobleme des A. wurden zu keinem Zeitpunkt thematisiert. 

Der A. wurde wegen 9 Fällen der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Aufgrund der fehlenden Einwilligung sei der A. nicht befugt gewesen, die Operationen an den Patienten durchzuführen.
 

Ihr Anwalt für Medizinrecht / Arzthaftungsrecht, Personenschadensrecht & Versicherungsrecht.

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