top of page

Aspiration eines im Mund unbemerkt gebliebenen Apfelstücks | Anwalt für Medizinrecht

OLG Frankfurt, Urteil 25.04.2023 - 8 U 127/21

Kommt es beim Kleinkind, während der intravenösen Gabe eines Antibiotikums, zu einer Aspiration eines im Mund unbemerkt gebliebenen Apfelstücks und führt dies zu einer schweren Hirnschädigung, ist das Ausbleiben einer vorherigen Untersuchung i.d.R. nicht be­hand­lungs­feh­ler­haft.
 

Der Kläger wurde im Alter von 14 Monaten wegen verschiedener Atemwegsbeschwerden stationär im Krankenhaus behandelt. Als eine dort tätige Kinderkrankenschwester dem Kläger in Anwesenheit dessen Mutter ein für ihn vorgesehenes Antibiotikum verabreichte, hatte dieser kurz zuvor Kartoffelchips und Apfelstücke zu sich genommen. Die Beklagte nahm wahr, dass der Kläger einen Kartoffelchip in der Hand hielt und dass auf seinem Nachttisch Apfelstücke lagen. Während der Verabreichung des Medikaments begann der Kläger zu schreien und wurde kurze Zeit später bewusstlos. Dies geschah infolge einer Bolusaspiration, die zu akuter Luftnot bei dem Kleinkind führte. Die Kinderkrankenschwester alarmierte den Notdienst, welcher innerhalb einer Minute eintraf. In der Zwischenzeit leistete sie Erste-Hilfe- Maßnahmen. Trotzdem kam es bei dem K. zu einem hypoxischen Hirnschaden, aufgrund dessen er lebenslänglich ein Pflegefall sein wird.  Der Kläger machte gegen die Klinik, zwei Behandler und die Kinderkrankenschwester Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend. Nachdem das LG Limburg dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von einer Million Euro zugesprochen hatte, gingen die Beklagten in Berufung. In der Berufung vor dem OLG Frankfurt a.M. wurde die Klage insgesamt abgewiesen.

 

Nach diesem sei das Verhalten der hinreichend qualifizierten Kinderkrankenschwester im Rahmen der Medikamentengabe nicht behandlungsfehlerhaft gewesen. Sie musste lediglich die allgemeinen zur Minderung des Aspirationsrisikos im Behandlungsalltag zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Aspirationen können bei Kleinkindern in jeder Lebenslage auftreten und drohen so insbesondere im Krankenhaus bei praktisch jeder Behandlungs- oder Pflegemaßnahme. Eine absolute Sicherheit ist weder erreichbar noch als Behandlungsstandard gefordert. Daher war es ausreichend, wenn eine Behandlerin bei einer intravenösen Antibiotikagabe das betroffene Kind vor der Behandlung 30-60 Sekunden beobachtet, um eine mögliche Gefahrenlage zu erkennen. Ein Zuwarten ist i.d.R. nur geboten, wenn während dieses Zeitraums Kaubewegungen festgestellt werden. 

 

Lediglich der Hinweis darauf, dass das Kind kurz zuvor Nahrung zu sich genommen hat und sich eventuell noch Speisereste im Mund befinden, erfordern keine weiteren Vorsichtsmaßnahmen. Die Kinderkrankenschwester gab an, dass sie vor der intravenösen Antibiotikagabe eine Zeit mit der Mutter des Klägers gesprochen habe und das Kind währenddessen beobachtet hatte. Kau- oder Schluckbewegungen stellte sie dabei nicht fest. Während ihrer Anwesenheit nahm das Kleinkind zudem keine Nahrung zu sich. Einen abweichenden Geschehensablauf hat der Kläger nicht zu beweisen vermocht.

Ihr Anwalt für Medizinrecht / Arzthaftungsrecht, Personenschadensrecht & Versicherungsrecht.

bottom of page