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Medizinrecht Regensburg | Anwalt bei Behandlungsfehlern und Arzthaftung

Mittelbayerische Zeitung Regensburg

 
"Martin Werner ist Anwalt für Medizinrecht - In den sozialen Medien teilt er spannende Fälle."

17.November 2023, Regensburg

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Februar 2024

Welche Arten von Behandlungsfehlern gibt es?

 

Bei der Betrachtung der verschiedenen Arten von Behandlungsfehlern im medizinischen Bereich ist es wichtig, ein breites Spektrum an möglichen Fehlern zu berücksichtigen. Zu den häufigsten und kritischsten Behandlungsfehlern zählen die fehlerhafte Therapie oder Medikation, der Diagnosefehler, der Befunderhebungsfehler, Aufklärungsfehler, sowie Fehler in der Bedienung oder Kontrolle medizinisch-technischer Geräte oder fehlerhafter Medizinprodukte.

Was genau ist ein „grober Behandlungsfehler“ im juristischen Sinne?


Ein Behandlungsfehler ist grob, soweit ein medizinisches Fehlverhalten aus objektiver Sicht bei Anlegung des für den Behandelnden geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr verständlich erscheint, weil der Fehler gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstoßen hat und dem Behandelnden schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Davon ist im Allgemeinen bei elementaren Fehlern wie etwa bei der Außerachtlassung von stets zu beachtenden diagnostischen und therapeutischen Grundregeln auszugehen. Die Frage, ob der Behandlungsfehler als grob einzustufen ist, ist jedoch eine juristische, auf medizinischen Sachverstand beruhende Frage, die dem Tatrichter obliegt.

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Behandlungsfehler, Vergessenes Medizinprodukt

Beispiele von groben Behandlungsfehlern:
 

  • Es stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn der alleingelassenen Mutter nach der Geburt - beim „Bonding“ - keine (Bett-)Klingel zur Verfügung steht. (OLG Celle, Urteil vom 20. September 2021, Az. 1 U 32/20)

  • Es stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn ein Liegendtransport ärztlich angeordnet wurde, der Transport aber tatsächlich in einem Rollstuhl sitzend mit gestrecktem Bein stattfindet. (OLG Koblenz, Beschluss vom 16. August 2017 – 5 U 603/17)

  • Es stellt einen (groben) Behandlungsfehler dar, wenn der als refraktiv-chirurgisch tätige Augenarzt, bei einer Lasikoperation zur Korrektur der Weitsichtigkeit, das Lasergerät falsch einstellt, indem er das Plus- und das Minuszeichen verwechselt. (LG Osnabrück, 25.07.2012 - 2 O 1615/10)

  • Es stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn der Arzt es unterlässt, nach der Geburt eines mangelentwickelten Zwillingskindes (Dystrophie), zur Feststellung einer möglichen Unterzuckerung (Hypoglykämie), notwendige Blutzuckerkontrollen durchzuführen. (OLG Koblenz, Urteil vom 05.07.2004 - 12 U 572/97)

  • Hat der Operateur den Verdacht, dass die Trokarspitze im Kniegelenk verblieben ist, muss er diesem Verdacht umgehend nachgehen. Verzichtet er darauf, begeht er einen groben Behandlungsfehler. (OLG Oldenburg, Urteil vom 24.10.2018 – 5 U 102/18)

  • Wird der Versuch einer Rekanalisierung der Arterie nicht rechtzeitig unternommen und erleidet der Patient hierdurch einen Teilverlust der rechten Hand, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar. (OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2019 - 26 U 30/19)

  • Es stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn ein Patient postoperativ, dessen neurologische Beurteilung engmaschig überprüft werden soll, innerhalb von 2:45h mit 168,75 µg anstatt der Maximaldosis von 77 µg Sufentanil sediert wird. (OLG München, Endurteil v. 23.01.2020 – 1 U 2237/17)

Besteht eine Pflicht des Arztes nachträglich über Behandlungsfehler aufzuklären?
 

Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.

 

§ 630c Abs. 2 S. 2 BGB regelt den Fall, dass der Patient den Behandelnden ausdrücklich nach etwaigen Behandlungsfehlern befragt. Es ist die Pflicht des Behandelnden, in dieser Situation wahrheitsgemäß zu antworten, wenn er Umstände erkennt, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, auch wenn er dabei Gefahr läuft, nicht nur einen Behandlungsfehler eines Dritten, sondern auch eigene Fehler offenbaren zu müssen. Eine darüber hinausgehende Recherchepflicht des Behandelnden zur Abklärung möglicher, für ihn aber nicht erkennbarer Behandlungsfehler, besteht hingegen nicht.

 

Fragt der Patient nicht ausdrücklich nach einem Behandlungsfehler, so trifft den Behandelnden die Informationspflicht über erkennbare Behandlungsfehler auch dann aus Satz 2, soweit dies zur Abwendung von gesundheitlichen Gefahren erforderlich ist.

Die Beweislastumkehr bei Feststellung eines groben Behandlungsfehlers.
 

Nach Feststellung eines groben Behandlungsfehlers kommt es auf der Kausalitätsebene zwischen Pflichtverletzung und dem Schaden zu einer Beweislastumkehr. Dem behandelnden Arzt steht jedoch stets der Gegenbeweis offen, § 292 ZPO.

 

Erweist sich ein schwerer ("grober") Behandlungsfehler als generell geeignet, den eingetretenen Schaden zumindest mitursächlich herbeizuführen, so ist es Sache des Anspruchsgegners des Geschädigten (Arzt oder Krankenhausträger) zu beweisen, daß es an der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem (Körper- oder Gesundheits-)Schaden fehlt; es kommt in diesem Sinne auf der Kausalitätsebene zu einer Beweislastumkehr.

 

Die Annahme der Schadenskausalität des schweren Fehlers entfällt nur, wenn ein Kausalzusammenhang mit dem eingetretenen Körper- oder Gesundheitsschaden "ganz unwahrscheinlich" ist.

ABER: Die mit einem groben ärztlichen Behandlungsfehler verbundene Beweislastumkehr kann entfallen, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet, so eine mögliche Mitursache für den erlittenen Gesundheitsschaden setzt und dazu beiträgt, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann. (OLG Hamm, Urteil vom 02.02.2018, Az. 26 U 72/17)

Zeitpunkt der Beurteilung des medizinischen Standards.

 

Das Absehen von einer ärztlichen Maßnahme ist nicht erst dann behandlungsfehlerhaft, wenn die Maßnahme „zwingend“ geboten war, sondern bereits dann, wenn ihr Unterbleiben dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief.

 

Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat.

 

Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. (BGH, Urteil v. 15. 4. 2014 – VI ZR 382/12; Beschluss v. 22. 12. 2015 – VI ZR 67/15)

Welche Schäden können geltend gemacht werden?

 

  • Eigenes Schmerzensgeld (auch des Verstorbenen).

  • Fremdes Schmerzensgeld (Schockschaden).

  • Behandlungs- und Arzneimittelkosten bzw. sonstige Hilfsmittel, die nicht von einem Versicherungsträger übernommen werden.

  • Heilbehandlungskosten (zusätzlich zu Behandlungs- und Arzneimittelkosten).

  • Pflegekosten (z.B. bei dauerhafter Pflegebedürftigkeit).

  • Vermehrte Bedürfnisse (z.B. Umbaumaßnahmen).

  • Kosten für Wiedereingliederung/Anpassungsmaßnahmen.

  • Eigene Fahrtkosten (auch für erforderliche Nachbehandlungen).

  • Verdienstausfall / Entgangener Gewinn.

  • Haushaltsführungsschaden / Naturalunterhalt.

  • Hinterbliebenengeld.

  • Barunterhaltsschaden bei Wegfall des Unterhaltspflichtigen.

  • Besuchskosten der Angehörigen.

  • Beerdigungskosten.

  • Rechtsanwaltskosten.

Bei weiteren Fragen stehe ich für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

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