Behandlungsfehlerbegründende Auskunftspflicht
OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.08.2015 - 5 W 35/15
Die Auskunftspflicht aus § 630c Abs. 2 S.1 BGB umfasst auch die Mitteilung und Information an den nachfragenden Patienten, dass für den Behandelnden keine behandlungsfehlerbegründende Umstände erkennbar sind. Eine solche Anfrage darf nicht einfach unbeantwortet gelassen werden.
Der Beklagte leitete als behandelnder Arzt die Geburt der Klägerin, die per Kaiserschnitt erfolgte. Einen Tag später wurde bei der Klägerin eine Femurfraktur sowie eine Verletzung des Femurs links diagnostiziert. Die Klägerin bat den Beklagten daraufhin mehrmals unter Berufung auf § 630c BGB um Mitteilung, ob der Beklagte von einem Behandlungsfehler ausgehe. Der Beklagte reagierte jedoch nicht. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe ihren Eltern unmittelbar nach der Geburt mitgeteilt, dass „etwas schiefgegangen sei“. Sie hat den Antrag gestellt, den Beklagten zu verurteilen, an sie Auskunft zu erteilen, inwieweit für ihn Umstände erkennbar sind, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen.
Die Auskunftspflicht aus § 630c Abs. 2 S. 2 BGB umfasst auch die Mitteilung an den nachfragenden Patienten, dass für den Behandelnden keine behandlungsfehlerbegründende Umstände erkennbar sind. Zwar erweckt der Wortlaut der Vorschrift den Eindruck, dass eine Auskunftspflicht erst durch das Vorliegen derartiger Umstände ausgelöst wird. Dies ist nur zutreffend, soweit es um die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Offenbarung der behandlungsfehlerbegründenden Umstände geht. Daneben begründet § 630 Abs. 2 S. 2 BGB einen Anspruch des Patienten, auf Nachfrage auch entsprechend informiert zu werden, falls der Behandelnde keine Anhaltspunkte für Behandlungsfehler hat. § 630c BGB wurde durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 eingeführt. Es ist das erklärte Ziel dieses Gesetzes, die Rechte von Patienten zu stärken und die Behandelnden und Patienten auf Augenhöhe zu bringen. Mit diesem Zweck wäre es nicht vereinbar, wenn die Behandelnden die Nachfrage des Patienten im Sinne von § 630c Abs. 2 S. 2 BGB, ob für ihn Umstände erkennbar sind, die einen Behandlungsfehler begründen, einfach unbeantwortet lassen könnten. Der Patient könnte nicht erkennen, ob auf seine Nachfrage nur deshalb nicht reagiert worden wäre, weil der Behandelnde keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler hätte, oder ob ihm sehr wohl behandlungsfehlerbegründende Umstände bekannt wären, er sie aber nicht preisgeben möchte. Diese Ungewissheit könnte der Patient nur im Rahmen eines Klageverfahrens beseitigen. Dabei liefe er jedoch Gefahr, im Falle der Nichterkennbarkeit der behandlungsfehlerbegründenden Umstände die Kosten für eine Klage zu tragen, die er nur deshalb angestrebt hätte, da seine vorherigen Anfragen bei den Behandelnden ignoriert worden wären. Zu berücksichtigen ist zudem, dass es für die Erkennbarkeit der Umstände auf das subjektive Sonderwissen des Behandelnden ankommt. Würde die Auskunftspflicht erst durch die Erkennbarkeit der behandlungsfehlerbegründenden Umstände ausgelöst, wäre ein Sonderwissen der Behandelnden eine vom Kläger zu beweisende Anspruchsvoraussetzung.
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