Erstattungsfähigkeit von Kosten für Privatgutachten
OLG München, Beschluss vom 15.10.2020 - 11 W 1457/20
Die Kosten eines privat eingeholten Sachverständigengutachtens können ausnahmsweise erstattungsfähig sein, wenn dieses unmittelbar prozessbezogen ist und zudem die eigene Sachkunde nicht ausreicht, einen gebotenen Beweis anzutreten oder die Angriffe des Gegners sachkundig abzuwehren.
Der Kläger machte im Verfahren Schadensersatzansprüche wegen Arzthaftung gegen die Beklagte geltend. Dem zwischen den Parteien geschlossene Vergleich zufolge trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits. Der Kläger beantragte im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem, die Kosten zweier Privatgutachten gegen die Beklagte festzusetzen. Die Beklagte wandte sich gegen die Kosten der Privatgutachter. Das vorgerichtliche Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, weil bereits zwei Gutachten in dem der Klage vorausgegangenen Schlichtungsverfahren eingeholt worden seien. Das zweite habe keine neuen (schadensrelevanten) Erkenntnisse gebracht.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind nach § 91 I ZPO erstattungsfähige notwendige Kosten solche, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftliche vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf.
Die Kosten eines von einer Partei eingeholten Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits anzusehen. Holt eine Partei ein privates Sachverständigengutachten unmittelbar prozessbezogen (auch vorgerichtlich) ein, wird die Frage, ob eine Partei die kostenauslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte, in der Rechtsprechung des BGH in den Fällen bejaht, in denen die Partei in Folge fehlender Sachkenntnis ohne ein Privatgutachten nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war, um ihren Anspruch schlüssig zu begründen, sich gegen die geltend gemachten Ansprüche sachgerecht zu verteidigen oder zu einem ihr ungünstigen, vom Gericht selbst eingeholten Sachverständigengutachten gezielt Stellung nehmen zu können.
In aller Regel sind die Kosten für ein im Laufe des Rechtsstreits auf Veranlassung einer Partei erstelltes Privatgutachten allerdings nicht erstattungsfähig.
Vorliegend waren diese Voraussetzungen jedoch für beide Privatgutachten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht worden.
Das erste Schlichtungsstellengutachten hatte einen Behandlungsfehler verneint und nur einen Diagnosefehler bejaht. Der Kläger wollte seine Ansprüche jedoch auf das Vorliegen eines Befunderhebungsfehlers stützen. Um hierzu geeigneten Vortrag zu halten, war die Einholung des Privatgutachtens erforderlich. Das zweite Privatgutachten war ebenfalls als erstattungsfähig anzusehen. Im Kostenfestsetzungsverfahren stand aufgrund der bisher erhobenen Beweise die Schadenshöhe noch nicht fest. Der Kläger hätte (vor Vergleichsschluss) zur Schadenshöhe konkret vortragen müssen, insbesondere zur Frage der zukünftigen Auswirkung des Gesundheitsschadens auf die verschiedenen Lebensbereiche. Hierzu fehlte dem Kläger ebenfalls die erforderlichen Fachkenntnis.
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